Rückblick Aktionstage Gefängnis 2021
Vom 01. bis 10. November 2021 fanden die vierten Aktionstage Gefängnis statt. Diesmal unter dem Motto „Kontakt | Einsamkeit | Isolation“. Die Aktionstage werden von einem Bündnis organisiert, das sich aus unterschiedlichen Initiativen und Vereinen, Gruppen und Einzelpersonen zusammensetzt. Ziel des Bündnisses ist es, den Strafvollzug und seine Folgen stärker in die Öffentlichkeit zu bringen.
Das Bündnis möchte erreichen, dass straffällige Menschen als Teil der Gesellschaft gesehen und Vorurteile ihnen gegenüber entkräftet werden. Physische und psychische Auswirkungen von Inhaftierung sollen sichtbar gemacht und Unterstützungsangebote aufgezeigt werden. Das Bündnis will zu einer Debatte über die Funktion von Strafe und Gefängnis anregen.
In der Auftaktveranstaltung brachte Prof. Dr. Marcus Mund einen wissenschaftlichen Input zum Thema Einsamkeit ein. Daneben gab es einen Austausch zu diesem Thema im Haftkontext. Betroffene kamen zu Wort und schilderten ihre Situation als Inhaftierte, Haftentlassene oder Angehörige von Inhaftierten. Das war für alle Teilnehmenden erkenntnisreich.
Nach der Auftaktveranstaltung fanden 18 weitere Ereignisse statt. Corona bedingt in einer Hybrid-Version aus Online- und Präsenzveranstaltungen. Die Formate der Veranstaltungen waren sehr unterschiedlich: Es gab Podiumsdiskussionen, Lesungen, Interviews, Impulsveranstaltungen, Videos, ein Kinofilm und Fachgespräche. Die Rückmeldungen zu den Events waren durchweg positiv.
Die Veranstaltenden des Hamburger Fürsorgevereins von 1948 e.V. hoben hervor, dass die Digitalisierung aufgrund von COVID als Stärke gesehen wurde und zu einer Unabhängigkeit gegenüber räumlichen Entfernungen sowie zu einer größeren Reichweite und Durchmischung der Teilnehmenden geführt hat. Der 14-tägige Social-Media-Countdown mit Zitaten von „drinnen“ ermöglichte emotionale und persönliche Einblicke in die Gedankenwelt von inhaftierten Menschen.
Die Veranstaltenden des Kulturvereins Wilhelmsdorf e.V. und des Strafvollzugsarchivs erreichten mit ihrem Fachgespräch ein sehr heterogenes Publikum, das nicht per se professionell mit dem Thema befasst war. Unter der Überschrift „Haftalltag und Resozialisierung: Machen Gefängnisse unsere Gesellschaft sicherer?“ wurde diskutiert, wie die Situation in deutschen Gefängnissen jenseits der Darstellung in den Massenmedien aussieht. Es wurde große Empörung über die Zustände in deutschen Gefängnissen geäußert. Die Schwäbische Zeitung veröffentlichte dazu einen Zeitungsartikel unter: tinyurl.com/3er2w7bb
In der virtuellen Abendveranstaltung von KAGS/DCV und der Katholischen Akademie Freiburg ging es um die Frage „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans im Knast?“. Schwierige familiäre Bindungserfahrungen können bei Jugendlichen ein Abdriften auf die ‚schiefe Bahn‘ begünstigen. Prof. Dr. Heinz Cornel und Sarah Fehrmann haben das Problem des Umgangs mit straffälligen Jugendlichen von verschiedenen Seiten beleuchtet und zusammen mit dem Publikum diskutiert, welche Alternativen im Strafvollzug denkbar sind.
Ein weiteres Fachgespräch, das von der BAG-S organisiert wurde, trug den Titel „Die Einsamkeit der Kinder inhaftierter Eltern“. Die Beteiligten kamen zu dem Ergebnis, dass die Situation von betroffenen Kindern in Deutschland weiterhin von Ungewissheit und mangelnden Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung der Bindung gekennzeichnet ist. Die beiden Expertinnen Judith Feige (Deutsches Institut für Menschenrechte) und Hannah Fröhlich (FREIE HILFE BERLIN e.V.) schilderten, dass es zweifellos einige Verbesserungen in der Versorgung gegenüber 2011 gegeben habe. Die größten Schwierigkeiten seien in den regionalen Unterschieden und dem Grundproblem, dass zwischen einem funktionierenden Familienleben und dem geschlossenen Vollzug Welten lägen, zu sehen. Die Verhängung von Freiheitsentzug müsse daher auf ein absolutes Minimum reduziert und schon gar nicht im Falle nichteinbringlicher Geldstrafen (z. B. durch Beförderungserschleichung oder Ladendiebstahl) ausgesprochen werden. Das Gespräch wurde transkribiert und aufbereitet. Es ist zu finden unter: tinyurl.com/37nhp9uv
Die Links zu allen Beiträgen der Aktionstage Gefängnis 2021, zu denen es Zeitungsartikel gibt, finden Sie unter: https://www.aktionstage-gefaengnis.de/pressespiegel/
Einige Materialien wurden den Veranstaltungshinweisen hinzugefügt und sind zu finden unter:
https://www.aktionstage-gefaengnis.de/termine-veranstaltungen/
Wenn Sie weitere Informationen zum Bündnis oder den Vorbereitungstreffen erhalten möchten, wenden Sie sich bitte an folgende E-Mail-Adresse: aktionstage-gefaengnis(at)web.de
Die Redaktion bedankt sich bei allen Bündnispartner:innen, die an den Aktionstagen Gefängnis 2021 mitgewirkt und sie mit qualitativen Beiträgen gefüttert haben.